RV Dresden-MeißenProjekteEffizienzuntersuchungen an Vogel-Ersatzquartieren

Effizienzuntersuchungen an Vogel-Ersatzquartieren

Projektbeschreibung – Ausgangssituation

Im Rahmen der seit 1996 bestehenden Bemühungen zum Thema „Artenschutz an Gebäuden“ in Dresden und Umgebung wurden allein vom NABU bzw. Naturschutzinstitut Dresden über 13.000 Ersatzquartiere für Vögel und Fledermäuse in Dresden und Meißen geschaffen bei ca. 22.000 Kompensationsquartieren insgesamt. Diese im Vergleich zu anderen Bundesländern hohe Anzahl verdanken wir vor allem der konsequenten Beauflagung nach §44 BNatSchG durch die Umweltämter Dresden und Meißen.

Ziel war es, die bereits seit 1990 entstandenen enormen Verluste der gebäudeabhängigen besonders und streng geschützten Tierarten zu begrenzen und Populationen zu stabilisieren. Hersteller von Naturschutzprodukten entwickelten in Anpassung an Wärmedämmverbundsysteme und neuartige Gebäudestrukturen eine Vielzahl von Leichtbetonkästen für Gebäude. Stichproben und Zufallsbeobachtungen lassen eine hohe Besiedlungsrate zumindest für Vögel vermuten.

Jedoch sind zielgerichtete und methodisch standardisierte Erfassungen notwendig, um die Wirkung der Kompensationsmaßnahmen evaluieren und notwendige Anpassungen planen und umsetzen zu können.

Jetzt, nach 25 Jahren, sind qualifizierte avifaunistische Effizienzuntersuchungen an ausgewählten Gebäudekomplexen dringend erforderlich. Als Zielarten stehen insbesondere Mauersegler, Haussperling, Star, Kohl- und Blaumeise, Dohle, Turmfalke sowie Hausrotschwanz im Fokus. Dabei spielt die Optimierung von Ersatzquartieren und ihre Anbringungsweise eine besondere Rolle.

Im Ergebnis können Empfehlungen, Strategien und Hinweise an die Hersteller von Naturschutzprodukten, Gutachter, Architekten und Umweltämter gemacht werden. Das würde weiterhin die Vorbildfunktion des Freistaates Sachsen stärken.

Diese Untersuchungen werden durch das Sächsische Ministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft für die Jahre 2022 – 2024 gefördert. 

Methodik

In den Jahren 2022 und 2023 erfolgt ein Brutvogelmonitoring während der Brutzeit zwischen März und September an Gebäuden mit Ersatzquartieren. Ergänzt werden die Erfassungen durch Hubsteigerkontrollen und Gebäudebegehungen im Oktober und November.

Im Ergebnis der Untersuchungen können Besiedlungsraten für die verschiedenen Quartiertypen und Optimierungsvorschläge in Zusammenarbeit mit den Herstellern bzw. für konstruktive Quartiere mit den Architekten erstellt werden.

Konkrete Fragestellungen, welche im Projekt bearbeitet werden, sind:

  • Sind die Kästen, insbesondere Leichtbetonkästen nach mehr als 10 Jahren, noch besiedelbar und welche Rolle spielt der Kastentyp?
  • Von welchen Vogelarten werden die Ersatzkästen wann besiedelt? Gibt es eine chronologische Mehrfachnutzung unterschiedlicher Arten im Jahresverlauf?
  • Welche Interaktionen und Konkurrenzbeziehungen gibt es zwischen den Arten bei Kastentypen mit mehreren Zielarten, kann bspw. der Haussperling seine Erstbrut beenden, bevor der Mauersegler „übernimmt“ oder kann der Star die Mauerseglerkästen uneingeschränkt nutzen?
  • Wie werden Serienkästen und Brutabteile in Koloniebrüterkästen besiedelt und sind die z.Z. empfohlenen Abstände zielführend?
  • Welche Rolle spielen Prädatoren, welche die Anbringungsweise am Gebäude?
  • Wie ist die Besiedlung von integrativen Quartiertypen?
  • Aufzeigung von Konfliktpotenzialen (z. B. Gefahr durch Taubenabwehr, Konfliktpotenziale mit Mietern, Verschmutzung von Fassaden)

 

Gebäudeauswahl

In inner- und außerstädtischen Bezirken von Dresden und Meißen wurden insgesamt 27 verschiedene Kastentypen verbaut, welche alle mindestens 2 x berücksichtigt werden. Geschlossene und aufgelockerte Bebauung, Plattenbau (WBS 70, WHH-17-Hochhäuser und vergleichbar) und Altbau, unterschiedliche Exposition je nach Himmelsrichtung, Anbringungshöhe, Beschattung und Fassadenbewuchs wurden bei der Stichprobenauswahl berücksichtigt.

So wurden letztendlich aus einer Grundgesamtheit von 1825 Gebäuden im Jahre 2022 36 Gebäude in Dresden und Meißen ausgewählt, für das Jahr 2023 folgen 35 weitere, nach Möglichkeit auch vereinzelt Kirchengebäude.

Des Weiteren wurden fünf Gebäude berücksichtigt, die dem Untersucher persönlich aus einer artenschutzfachlichen Baubegleitung aus den Jahren 2016 – 2019 bekannt waren, da hier Vorerfassungsergebnisse vorliegen und eine Effizienzabschätzung aufgrund der Datenlage besonders aussagekräftig ist.

Der Einbauzeitraum der Nistkästen liegt zwischen 2000 und 2020.

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Starenbrut im Mauersegler-Koloniekasten von Strobel – Foto: Sylvia Siebert
Starenbrut im Mauersegler-Koloniekasten von Strobel – Foto: Sylvia Siebert
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Haussperlingsbrut im 1 MF-Kombikasten von Schwegler, Zschachwitzer Straße, Dresden – Foto: Sylvia Siebert
Haussperlingsbrut im 1 MF-Kombikasten von Schwegler, Zschachwitzer Straße, Dresden – Foto: Sylvia Siebert
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Haussperlingsbrut im Halbhöhlenkasten von Strobel, Zschachwitzer Straße, Dresden – Foto: Sylvia Siebert
Haussperlingsbrut im Halbhöhlenkasten von Strobel, Zschachwitzer Straße, Dresden – Foto: Sylvia Siebert
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Haussperlingsbrut im Halbhöhlenkasten von Schwegler – Foto: Sylvia Siebert
Haussperlingsbrut im Halbhöhlenkasten von Schwegler – Foto: Sylvia Siebert
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Haussperlingsbrut im integrativen Traufquartier, Lehmannstraße Dresden – Foto: Sylvia Siebert
Haussperlingsbrut im integrativen Traufquartier, Lehmannstraße Dresden – Foto: Sylvia Siebert
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Schimmelbildung im Haussperlingskasten von Strobel – Foto: Sylvia Siebert
Schimmelbildung im Haussperlingskasten von Strobel – Foto: Sylvia Siebert
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Starenbrut im Mauersegler-Koloniekasten von Strobel – Foto: Sylvia Siebert
Starenbrut im Mauersegler-Koloniekasten von Strobel – Foto: Sylvia Siebert
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Herabgebrochene Starensperre im Hasselfeldt-Nistkasten – Foto: Sylvia Siebert
Herabgebrochene Starensperre im Hasselfeldt-Nistkasten – Foto: Sylvia Siebert
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Mauersegler-Kücken im integrativen Traufquartier, Dresden-Pieschen – Foto: Sylvia Siebert
Mauersegler-Kücken im integrativen Traufquartier, Dresden-Pieschen – Foto: Sylvia Siebert

Vorläufige Ergebnisse

Besonders enttäuschend und zögerlich fällt die Besiedlung in den verdichteten Innenstadtteilen Dresden-Altstadt und – Neustadt aus. Auch glatte Klinkerfassaden oder Plattenverkleidungen sowie stark lärmbelastete Straßen scheinen sich negativ auszuwirken. Lediglich der Hausrotschwanz lässt sich nicht beirren und bezieht dort bereits wenige Jahre nach Kasteneinbau sogar für Mehrfachbruten Quartier.

Demgegenüber erfolgte bspw. am Johannstädter Elbufer, am Stadtrand sowie im begrünten Innenstadtbereich eine schnelle Besiedlung auch dicht beieinanderliegender Massenquartiere, die auch Einbaufehler und Verstöße gegen Mindestabstände zu tolerieren scheint. Der Haussperling, vereinzelt sogar der Feldsperling, der Star und der Mauersegler haben sich in diesen Gebieten sichten lassen. Dort, wo ausreichend Nahrungshabitate und Quartiere vorhanden sind, z.B. am Meißner Stadtrand, brüten selbst Haussperlinge, Stare und Mauersegler zeitgleich in einer Reihe, also in einem Mehrfachquartier, während es anderswo zu erbitterten Revierkämpfen mit Brut- bzw.- Gelegevernichtung des Haussperlings durch Star oder den Mauersegler kommt.

Dem ersten Anschein nach werden in günstigen Habitaten auch sehr schnell Nistkästen, die teilweise als problematisch gelten oder mit zu geringem Abstand verbaut wurden, angenommen. In sehr guten Habitaten, etwa Villenvierteln, werden jedoch eher Garten- und Altbaustrukturen und sogar Regenabflussrohre einem Nistkastenangebot vorgezogen.

Interessant ist auch die unterschiedliche Besiedlung durch den Mauersegler an Hochhäusern mit und ohne Turmfalkenvorkommen, selbst wenn diese benachbart sind und der Turmfalkenkasten sich an einer anderen Gebäudeseite befindet.

Details

Die im Jahre 2022 untersuchten Nisthilfen wiesen Besiedlungsraten von 14 bis 100 % auf. Bei den Haussperlingskoloniekästen zeigte sich der von Strobel (HspH4) mit 91 % dem von Schwegler (HspH3) eindeutig überlegen. Letzterer, wegen der eng beieinanderliegenden Brutkammern häufig kritisiert, wies immerhin noch eine Besiedlungsrate von 67 % auf. Allerdings wiesen die Strobel-Kästen bereits nach wenigen Jahren deutliche Verwitterungsschäden mit verrotteten Trennwänden, zerbrochenen Kontrollklappen und verschimmeltem Nistmaterial auf.

Zeitgleiche Mehrfachnutzungen von Brutkammern konnten, insbesondere in geeigneten Habitaten, in 46 bis 67 % der Fälle verzeichnet werden.

 Bei den untersuchten Mauersegler- und Universalnistkästen mit ausreichender Grundgesamtheit konnten die von Hasselfeldt mit einer Besiedlungsrate von 79 % überzeugen. Allerdings ergeben sich offene Fragen aufgrund von Totfunden durch herabgebrochene Starensperren. Auch befanden sich alle betrachteten Kästen in sehr gut geeignetem Habitat.

Kein Unterschied ergab sich im Vergleich von Schwegler-Universalkästen (Msk) mit 42 % und Strobel-Mauersegler-Quartiersteinen (MsE) mit 44 %.

Aufeinander folgende Nutzungen von Haussperling und Mauersegler waren häufig, auch zeitgleiches Brüten von Haussperling, Mauersegler und Star in nebeneinanderliegenden Brutkammern, Revierkämpfe waren selten zu beobachten.

Die drei untersuchten Nischenbrüterkästen Schwegler (HHE/HHEK) und Strobel (HHK) wiesen ähnliche Besiedlungsraten zwischen 67 und 82 % auf. Unterschiede sind wahrscheinlich in erster Linie auf verschiedene Habitate zurückzuführen.

Integrative Quartiere konnten nach bisherigen Beobachtungen nicht überzeugen: Von fünf untersuchten Gebäuden wurde nur eines mit solchen im Traufbereich sporadisch beflogen, vier Gebäude mit integrativem Quartiertyp an der Fassade blieben, unabhängig vom Einbaujahr, unbesiedelt. Im Jahr 2023 zeichnet sich ein anderes Bild ab: Offenbar benötigen diese eine längere Zeit bis zur Erstbesiedlung, da sie schlechter auffindbar sind, werden dann aber konsequent und nachhaltig genutzt.

Weitere Unterschiede nach Einbaujahr, d.h. Kastenalter und nach Gebäudetypen konnten nicht festgestellt werden. Lediglich Hochhäuser konnten mit einer Besiedlungsrate von nur 25 % nicht überzeugen.

Als entscheidender Faktor erwies sich das Habitat, wobei Gebäude in offener Bebauung am besten abschnitten.

Ausblick

Folgende Fragen sollen in der Erfassungssaison 2023 näher betrachtet werden:

  • Untersuchung bisher in geringer Anzahl vertretener Nistkastentypen
  • Wie stellt sich der Zustand der Haussperlings-Koloniekästen (Strobel) an sonnigen, weniger feuchten Einbauorten dar?
  • Sind die herabgebrochenen Starensperren der Mauersegler-Hasselfeldt-Kästen systematisch oder Einzelfälle? Wie wirkt sich diese auf den Bruterfolg aus?
  • Gibt es auch positive Beispiele in verdichteten Innenstadt-Stadtteilen?
  • Untersuchung von bisher wenig betrachteten Stadtteilen (Dresden-Nord, Dresden-West)
  • Gibt es auch positive Besiedlungsbilanzen von integrativen Quartiertypen?
  • Vereinzelt: Untersuchung von Dohlennisthilfen


Grafik: SMEKUL
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Grafik: SMEKUL

Zur Untersuchung von Drempelquartieren und einer möglichen Fallenwirkung von Fledermaus-Einlaufblenden und offenen Drempelfugen erfolgt ein Austausch mit dem Büro chiroplan. Die Resultate werden durch eigene Begehungen ergänzt werden.



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